Süleyman Taşköprü
Süleyman Taşköprü wurde 1970 in Istanbul geboren. Er war ein fleißiger Schüler und wollte Architekt werden. 1981 holten ihn seine Eltern nach Deutschland, wo sein Vater als Schiffsschweißer arbeitete. Süleyman wuchs mit zwei Schwestern und einem Bruder in Hamburg-Altona auf, machte seinen Realschulabschluss und spielte gern Fußball und Backgammon. Er arbeitete Anfang der 1990er-Jahre bei einer Firma für Fotoapparate und übernahm später den Obst- und Gemüseladen seines Bruders. 1998 wurde er Vater einer Tochter, die er sehr liebte und „meine kleine Prinzessin“ nannte. Der Taşköprü Market war auch ein Treffpunkt für die Familie, die dort nach Feierabend zum Essen zusammenkam. Gemeinsam mit seiner Schwester Ayşen Taşköprü plante Süleyman Taşköprü, im Nebengebäude einen Weinladen zu eröffnen.

Am 27. Juni 2001 arbeiteten Süleyman Taşköprü und sein Vater im Laden. Der Vater ging kurz weg, um Oliven zu besorgen. Als er zurückkam, fand er seinen sterbenden Sohn vor. Süleyman war das dritte Opfer einer Mordserie, zu der sich der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) erst zehn Jahre später bekannte. Bis dahin ermittelte die Polizei vor allem gegen die Angehörigen, obwohl der Vater ausgesagt hatte, er habe zwei „Deutsche“ in der Nähe des Tatorts gesehen.
„Über zehn Jahre mussten wir mit der Ungewissheit leben, nicht zu wissen, wer die Täter_innen sind. Die Zeitungsartikel habe ich heute noch: ‚Döner Morde‘, ‚Mafia‘, ‚Drogendealer‘. Die Hamburger Polizei hat ‚in alle Richtungen‘ ermittelt, nur nicht in Richtung rechte Szene. Wir hatten jahrelang immer wieder Besuch von der Kripo und mussten Fragen über Fragen beantworten. Über das Bekenner_innen-Video im Fernsehen haben wir 2011 vom NSU erfahren.“
Ayşen Taşköprü, Zitat aus: Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft (Hg.): Der NSU-Komplex in Hamburg. Das Recht auf Aufklärung verjährt nicht, Hamburg 2022.
Bis heute gibt es viele offene Fragen rund um den NSU und den Mord an Süleyman Taşköprü. Entgegen der Forderung der Angehörigen entschied sich die Hamburgische Bürgerschaft mehrfach gegen die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Hamburg ist damit das einzige Bundesland mit einem NSU-Mordopfer, in dem es keinen Untersuchungsausschuss gab.
2012 richtete die Stadt Hamburg einen Gedenkstein vor dem ehemaligen Laden ein. Ayşen Taşköprü ließ davor einen roten Stern wie auf dem Walk of Fame in Hollywood mit dem Gesicht ihres Bruders legen. Diesen hatte sie ihm nach einem Besuch in den USA beim Herumalbern wegen seiner Ähnlichkeit mit dem und Schwärmerei für den Schauspieler Sylvester Stallone versprochen: „Nie hätte ich gedacht, dass ich mein Versprechen auf so traurige Weise einhalten müsste.“

Nach der Selbstenttarnung des NSU 2011 formulierten Angehörige und Aktivist*innen die Forderung, zur Erinnerung an Süleyman Taşköprü die Schützenstraße umzubenennen. 2014 benannte der Bezirk Altona ein Teilstück der Kohlentwiete in Taşköprüstraße um, nachdem Anwohner*innen der Schützenstraße gegen die Umbenennung protestiert hatten. In dem umbenannten Straßenabschnitt gab es damals nur zwei Gewerbebetriebe. Der bewohnte Teil der Straße heißt bis heute Kohlentwiete. Im November 2021 wurde auf Initiative einer Gruppe aus Zwickau und auf Wunsch der Familie ein Gedenkbaum für Süleyman Taşköprü vor dem Altonaer Rathaus gepflanzt.
„Es tut gut zu wissen, dass wir als Familie einen neuen Gedenkort ermöglicht bekommen, an dem ein Baum in Erinnerung an Süleyman wachsen kann. Es ist für uns wichtig, dass es Gedenken und Erinnern gibt, das nicht direkt am Ort der Ermordung stattfindet. Denn dieser Ort und die Tat bleiben für immer in unserer Erinnerung.“
Ayşen Taşköprü, Zitat aus: Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft (Hg.): Der NSU-Komplex in Hamburg. Das Recht auf Aufklärung verjährt nicht, Hamburg 2022.