Rechtspopulistische Regierung mit der Schill-Partei
Im Juli 2000 gründete sich in Hamburg die rechtspopulistische Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO). Die sogenannte Schill-Partei, benannt nach ihrem Vorsitzenden Ronald Schill, setzte im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf 2001 auf das Thema Innere Sicherheit. Mit der Behauptung, Hamburg sei die gefährlichste Stadt Deutschlands, und dem populistischen Versprechen, man werde die Kriminalität binnen 100 Tagen halbieren, erreichte sie aus dem Stand heraus 19,4 Prozent bei der Wahl. Durch eine Koalition mit der CDU und FDP konnte die Schill-Partei als erste rechtspopulistische Partei in der Bundesrepublik Regierungsverantwortung übernehmen.

Schill war bereits in den 1990er-Jahren als „Richter Gnadenlos“ durch seine harten Urteile bekannt geworden. Sein stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Büroleiter war der spätere AfD-Vorsitzende Dirk Nockemann. Auch mit der extremen Rechten hatte Schill wenig Berührungsängste: Der Eimsbüttler Fraktionsvorsitzende Christian Brandes war Mitglied der Burschenschaft Germania, als Bodyguard von Schill arbeitete u.a. der bekannte Neonazi Thomas G., der sich in der Vergangenheit im Umfeld der ANS und FAP bewegt hatte.
Als Zweiter Bürgermeister und Innensenator präsentierte sich Schill als sicherheitspolitischer Hardliner und setzte unter dem Deckmantel der Kriminalitätsbekämpfung auf eine autoritäre Politik, die sich u.a. gegen Linksalternative, Drogenkonsument*innen und Migrant*innen richtete. Die unabhängige Polizeikommission, die als Konsequenz aus dem Hamburger Polizeiskandal gebildet worden war, schaffte Schill ab. Als Innensenator setzte er auf verstärkte Polizeikontrollen im Kampf gegen die offene Drogenszene am Hauptbahnhof und eine Fortführung von Brechmitteleinsätzen gegen mutmaßliche Drogendealer*innen, selbst dann noch, als der als Achidi John bekannte Nigerianer Michael Paul Nwabuisi dabei starb. Zur Eindämmung von Jugendkriminalität setzte Schill auf die Schaffung einer geschlossenen Unterbringung. Die in der Feuerbergstraße entwickelte Einrichtung musste 2008 nach Berichten über einen skandalösen Umgang mit den Jugendlichen schließen.
Gemäß Schills Forderung, mindestens 500 Abschiebungen pro Monat durchzuführen, verschärfte die Ausländerbehörde ihre Abschiebepraxis. Selbst Kinder wurden zur Abschiebung von ihren Eltern getrennt und im Zielland in Kinderheimen untergebracht. Die Dienststelle „Ausländerbeauftragte/r des Senats“ wurde abgeschafft. Auch gegen alternative Wohnformen richtete sich die Politik des Innensenators, der sich das Ziel gesetzt hatte, die Hamburger Bauwagenplätze räumen zu lassen.
Gegen diese Innenpolitik des Senats formierte sich ein breiter gesellschaftlicher Protest. Menschen aus Kunst, Kultur, Kirche, Sport und sozialen Bewegungen organisierten vielfältige Aktionen. Ausgelöst durch die Räumung des Bauwagenplatzes Bambule demonstrierten Tausende wochenlang gegen Rechtspopulismus, Ausgrenzung und Vertreibung. Bela B. und die Band Fettes Brot rappten im Song „Tanzverbot“ gegen den „Hardcore Senator“: „Einer macht was er will, sein Name ist Schill, wir wollen, dass er seinen Job verliert“.
2003 wurde Schill nach homofeindlichen Äußerungen über den Ersten Bürgermeister als Innensenator entlassen und Anfang 2004 die Koalition mit der PRO vorzeitig beendet. Schill verließ daraufhin Deutschland und zog nach Brasilien, wo er vor allem durch Drogenskandale und die Teilnahme an Realityshows wie Big Brother auf sich aufmerksam machte.