Rechter Terror: „Gegenwärtig keine Bedrohung?“
Im Jahr 2001 erklärte der Hamburger Verfassungsschutz, Rechtsterrorismus stelle „gegenwärtig keine Bedrohung“ dar. Im selben Jahr ermordete die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) Süleyman Taşköprü in seinem Lebensmittelladen in Hamburg-Bahrenfeld. Drei Mitglieder des NSU wurden zu dieser Zeit als untergetauchte Neonazis polizeilich gesucht. Dass Neonazis immer wieder Gewalt ausübten und offen über den bewaffneten Kampf aus dem Untergrund diskutierten, war den Sicherheitsbehörden bekannt. Einzelne Gruppierungen wurden verboten, darunter im September 2000 das Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ Deutschland (dt.: Blut & Ehre). Trotzdem konnte das „Blood & Honour“-Netzwerk noch jahrelang weiter aktiv bleiben.

Blood & Honour verstand sich als ein politisches Netzwerk, eine Kampfgemeinschaft für die „weiße Rasse“. Das Netzwerk und seine Bands riefen offen zu einem „Rassenkrieg“ auf. In vielen Songtexten wird zum Mord etwa an Schwarzen Menschen, an Migrant*innen, an Juden und Jüdinnen sowie an politischen Gegner*innen aufgerufen. Mit den Konzerten und dem Verkauf von Tonträgern verdiente das Netzwerk Geld für Prozesskosten und politische Aktionen. Im Sinne des propagierten Führerlosen Widerstands unterstützten zahlreiche „Blood & Honour“-Aktivist*innen den NSU. Sicherheitsbehörden hingegen deuteten Blood & Honour vor allem als ein Netzwerk zur Verbreitung von nationalsozialistischer Propaganda durch Musik. Um das Verbot ab 2000 zu umgehen, reichte es vielfach aus, Konzerte nicht mehr unter dem Namen Blood & Honour anzukündigen. Obwohl es sich um die gleichen Organisator*innen und Bands handelte, und somit um eine Fortsetzung einer verbotenen Organisation, ließ die Polizei diese zumeist gewähren. So konnten am 5. März 2005 die bekannten „Blood & Honour“-Bands Faustrecht und Legion of Thor in Marienthal unter den Augen der Polizei spielen. Weiterhin organisierten bekannte „Blood & Honour“-Akteure wie der Neonazi Torben K., ein Gründungsmitglied der Freien Kameradschaft „Hamburger Sturm“ und zeitweilig Landesvorsitzender der Hamburger NPD, Konzerte in Hamburg.

Unter Führung des ehemaligen „Blood & Honour“-Aktivisten Klemens O. bildete sich 2001 aus der Kameradschaft Pinneberg nach dem Vorbild aus Großbritannien „Combat 18 Pinneberg“. „Combat 18“ steht für Kampfgruppe Adolf Hitler und gilt als bewaffneter Arm von Blood & Honour. Die Gruppe beschaffte Waffen, bedrohte politische Gegner*innen und erpresste Schutzgeld von Neonazis, die Musik vertrieben. Obwohl die Polizei 2003 „Anti-Antifa“-Listen und zahlreiche Waffen bei Hausdurchsuchungen fand, wurden 2005 nur einzelne Mitglieder für die Erpressungsversuche verurteilt.
Ab 2008 schlossen sich dann Neonazis zur Kameradschaft „Weisse Wölfe Terrorcrew“ zusammen. Wie die „Blood & Honour“-Band „Weisse Wölfe“, nach der sich die Gruppe benannte, teilte sie ein nationalsozialistisches Weltbild und propagierte den bewaffneten Kampf von „Combat 18“. Mitglieder der Gruppe waren an rassistischen Übergriffen beteiligt. Die „Weisse Wölfe Terrorcrew“ (später mit dem Zusatz „Hamburger Nationalkollektiv“) beteiligte sich bundesweit an Neonazi-Veranstaltungen. 2016 wurde die Kameradschaft verboten, weil sie sich offen zum Nationalsozialismus bekannte und gewaltsam gegen politische Gegner*innen und Geflüchtete vorging.
