Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân
Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân aus Saigon waren per Boot aus dem vom Krieg gezeichneten Vietnam geflohen. Nguyễn Ngọc Châu nahm das deutsche Rettungsschiff „Cap Anamur“ im Südchinesischen Meer an Bord. Đỗ Anh Lân gelangte in ein Lager auf einer malaysischen Insel und kam über eine Hilfsaktion der Wochenzeitung „Die Zeit“ im August 1979 nach Hamburg. Dort waren der 18-jährige Đỗ Anh Lân und der 22-jährige Nguyễn Ngọc Châu 1980 gemeinsam in einer Unterkunft für Geflüchtete in der Halskestraße im Stadtteil Billbrook untergebracht. In der Nacht zum 22. August 1980 warfen Mitglieder der Deutschen Aktionsgruppen einen Brandsatz in das Zimmer der Schlafenden. Beide starben an ihren schweren Verbrennungen.
Der spätere Lehrer Nguyễn Ngọc Châu kam am 26. Juli 1958 in Saigon zur Welt, damals noch Hauptstadt Südvietnams. Nach seiner Rettung durch die „Cap Anamur“ aus dem Südchinesischen Meer kam er im April 1980 nach Hamburg. Er starb am 22. August 1980 wenige Stunden nach dem Brandanschlag an den schweren Verbrennungen.
Đỗ Anh Lân, geboren am 10. März 1962 in Saigon, gehörte zur chinesischen Minderheit. Seine Mutter betrieb einen Textilgroßhandel. Er floh aus Angst vor dem Militärdienst, wollte seine Familie nach Deutschland nachholen. Seine mit den Familienersparnissen ermöglichte Flucht dauerte zwei Jahre. Neun Tage nach dem Anschlag erlag er seinen schweren Brandverletzungen.
400 Trauergäste nahmen bei der Beisetzung von den Ermordeten Abschied. Die Trauerrede hielt Hamburgs Erster Bürgermeister Hans-Ulrich Klose. Der Anschlag war zu diesem Zeitpunkt bereits aufgeklärt, sechs Mitglieder der Deutschen Aktionsgruppen befanden sich in Haft.
Gisela und Heribert von Goldammer halfen den beiden jungen Männern ehrenamtlich. Sie hatten auch Kontakt zu Đỗ Anh Lâns Mutter Đỗ Mui. Als sie in die Bundesrepublik einreisen durfte, war ihr Sohn bereits tot:
„Mein Sohn dachte, er sei in Deutschland sicher vor Bomben. Und dann töteten sie ihn in Deutschland mit einer Bombe.“
Zitat aus: Die Zeit, 21. Juni 2018
34 Jahre lang erinnerte in der Halskestraße nichts an den rassistischen Anschlag. Seit 2014 organisieren Überlebende und Angehörige zusammen mit der Initiative für ein Gedenken an Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân jährlich Gedenkveranstaltungen. Sie fordern eine Umbenennung der Halskestraße und der zugehörigen Bushaltestelle nach Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân sowie eine Gedenktafel am Tatort.
Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân wurden auf dem Öjendorfer Friedhof beigesetzt. Ihre Gräber wurden nach 25 Jahren aufgelöst, ohne die Angehörigen zuvor angemessen darüber zu informieren.
Seit 2020 erinnert auf dem Öjendorfer Friedhof ein Denkmal des Künstlers Vān Ngân Hoàng an die beiden Ermordeten. 2022 versprach der Bezirk Hamburg-Mitte, einen Abschnitt der Halskestraße in Châu-und-Lân-Straße umzubenennen.
„In Hamburg bin ich so lange zum Grab meines Sohnes gegangen, bis es nach 25 Jahren aufgelöst wurde. Ich hätte es verlängern können, aber ich wusste nicht, wie. Eines Tages war es einfach nicht mehr da. Ich wünsche mir einen Platz, an dem ich um ihn trauern könnte. Irgendeinen Ort der Erinnerung. Vielleicht bekommen wir ein Denkmal am Friedhof. Das fände ich richtig.“, so Đỗ Mùi 2019 gegenüber der „ZEIT“.
Zitat aus: ZEITmagazin, Nr. 49, 2019