Rassismus in den 1980er-Jahren
In den 1980er-Jahren wurde Migration erstmals zum zentralen Wahlkampfthema. Gesellschaftspolitische Debatten richteten sich zunächst vor allem gegen die Integration und das Bleiberecht von Menschen, die als sogenannte Gastarbeiter*innen in die Bundesrepublik gekommen waren. Unter der sozialliberalen Regierung Helmut Schmidts von 1974 bis 1982 wurden diverse ausländerrechtliche Maßnahmen umgesetzt, die darauf abzielten, Migrant*innen zur Ausreise aus Deutschland zu bewegen. 1982 erklärten 77 Prozent der befragten Deutschen, Arbeitsmigrant*innen sollten wieder in ihr Herkunftsland zurückkehren.
Nach dem Regierungswechsel 1982 setzten sich CDU und CSU in der christlich-liberalen Bundesregierung für eine harte Rückführungspolitik ein. Auch das Asylrecht wurde zunehmend infrage gestellt. Geflüchteten wurde unterstellt, sie würden betrügen und das Asylsystem ausnutzen. Migrant*innen und Geflüchtete wurden als Konkurrent*innen um knapper werdende Arbeitsplätze angesehen, obwohl viele besonders schwere und gering entlohnte Arbeiten verrichten mussten. Ihre Schulabschlüsse und Ausbildungen wurden in Deutschland oftmals nicht anerkannt. Der zunehmende Rassismus richtete sich besonders stark gegen die Migrant*innen aus der Türkei, aber auch gegen Minderheiten wie Sinti*ze und Rom*nja. Arbeitsmigrant*innen und Angehörige von Minderheiten wurden nicht nur auf dem Wohn- und Arbeitsmarkt diskriminiert, sondern auch in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen. Teils wurde ihnen sogar der Zugang zu öffentlichen Orten wie Diskotheken, Restaurants oder Campingplätzen verwehrt.

Zutrittsverbote wie diese richteten sich gegen reisende Sinti*ze und Rom*nja. Auch in vielen Hamburger Diskotheken und Lokalen waren Angehörige der Minderheit unerwünscht. Darauf machte die Rom und Cinti Union e.V. Hamburg 1982 in einem Lagebericht aufmerksam, in dem sie auch Fälle massiver Polizeigewalt schilderte.
Die extreme Rechte griff die rassistische Stimmung auf und gründete in mehreren Bundesländern Bürgerinitiativen und Kleinstparteien wie die Hamburger Liste für Ausländerstopp (HLA). Wie Stimmungsmache zu Gewalttaten führen kann, zeigte sich in dramatischer Weise im August 1980 in Hamburg: Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân aus Südvietnam starben nach einem Brandanschlag der rechtsterroristischen Deutschen Aktionsgruppen auf eine Unterkunft für Geflüchtete. Zuvor hatten die Täter einen Artikel des „Hamburger Abendblatts“ über diese Unterkunft gelesen, der Hamburg als mit „Aslybewerbern überlastet“ beschrieben hatte. Die rassistische Stimmung in Deutschland beschrieb die Dichterin Semra Ertan in ihrem Gedicht „Mein Name ist Ausländer“. Sie verbrannte sich aus Protest gegen den zunehmenden Rassismus am 26. Mai 1982 auf offener Straße in Hamburg-St. Pauli.
