Brandanschläge und Asylpolitik nach der Wende
In der Umbruchsituation nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Asylpolitik das beherrschende innenpolitische Thema. In der rassistisch geprägten Debatte wurden Migrant*innen und Geflüchtete als „Bedrohung“ für die Bundesrepublik dargestellt. Mit Medienkampagnen unter dem Tenor „Das Boot ist voll“ wurde Stimmung gegen das Recht aus Asyl gemacht und dessen maßgebliche Beschneidung gefordert.

Die Asyl-Debatte bewirkte auch einen massiven Anstieg der Gewalt gegen Migrant*innen, Schwarze Menschen und People of Color. Rechte Bürger*innen griffen im September 1991 in Hoyerswerda und im August 1992 in Rostock-Lichtenhagen unter dem Beifall von Anwohner*innen Unterkünfte von Asylsuchenden und ehemaligen Vertragsarbeiter*innen mit Brandsätzen an.

Mehrere Hundert Randalierer*innen, darunter auch Hamburger Neonazis, stürmten unter dem Applaus Tausender Schaulustiger das Gebäude und setzten es in Brand. Die über 120 Bewohner*innen retteten sich auf das Dach. Die pogromartigen Ausschreitungen erstreckten sich über vier Tage.
Am 23. November 1992 starben in Mölln zwei Mädchen, Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz, und ihre Großmutter Bahide Arslan nach einem Brandanschlag. Die Trauerfeier für die drei Toten fand in Hamburg statt.

10 000 Trauergäste nahmen Abschied von der 10-jährigen Yeliz Arslan, der 14-jährigen Ayşe Yılmaz und ihrer Großmutter Bahide Arslan. Die Trauerrede hielt Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. Anschließend zog eine Demonstration zum Hamburger Rathaus. Türkische Läden blieben geschlossen, Streikende drückten Anteilnahme und Empörung aus.
Am 26. Mai 1993 schränkte der Deutsche Bundestag das Grundrecht auf Asyl erheblich ein. Drei Tage darauf starben bei einem Brandanschlag in Solingen Hatice Genç, Hülya Genç, Saime Genç, Gürsün İnce und Gülüstan Öztürk.
Bei einem Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Lübeck am 18. Januar 1996 starben 10 Menschen: Monica Maiamba Bunga, Nsuzana Bunga, Rabia El Omari, Françoise Makodila Landu, Christelle Makodila Nsimba, Legrand Makodila Mbongo, Christine Makodila, Miya Makodila, Jean-Daniel Makodila Nkosi und Sylvio Bruno Comlan Amoussou. Die Polizei hielt einen der Bewohner für den Täter. Dieser musste sich vor Gericht verantworten, wurde aber freigesprochen. Gegen vier Tatverdächtige aus der rechten Szene, von denen einer die Tat mehrfach gestanden hat, wurde bis heute keine Anklage erhoben. Auch in Hamburg gab es zahlreiche rassistische Angriffe auf offener Straße und Brandanschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten. Angesichts der Bedrohungslage riefen migrantische Initiativen zum Kampf gegen Rassismus und zur Selbstverteidigung auf.