Rassistische Debatten und Mobilisierungen
In den 2010er-Jahren bekamen rassistische Debatten neuen Aufwind. Rechte Parteien erzielten in mehreren Ländern Europas Wahlerfolge. In dem 2010 veröffentlichten Buch „Deutschland schafft sich ab“ beschwor der ehemalige SPD-Politiker Thilo Sarrazin den „Untergang des Abendlandes“. In dem Buch behauptete er unter anderem, die Geburtenraten von Migrant*innen aus muslimisch geprägten Ländern hätten einen negativen Einfluss auf die deutsche Gesellschaft. Zudem machte er darin Menschen mit Migrationsgeschichte bzw. von Armut Betroffene für einen angeblich sinkenden Intelligenzdurchschnitt in Deutschland verantwortlich. Das Buch wurde zum Bestseller und gilt als ein Wegbereiter für rassistische und sozialdarwinistische Debatten der folgenden Jahre. Diese werden von rechten Medien, der im Herbst 2014 in Dresden entstandene rassistische Sammlungsbewegung Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) und der Alternative für Deutschland (AfD) vorangetrieben. Vielerorts formierte sich Protest gegen Geflüchtete und die Einrichtung von Unterkünften für Geflüchtete, an denen sich nicht nur Neonazis, sondern vielfach Bürger*innen aus der Mitte der Gesellschaft beteiligten.

Als 2015 viele Menschen vor dem Bürgerkrieg in Syrien nach Europa und auch nach Deutschland flohen, entstand eine gesellschaftlich breit getragene Willkommenskultur. So unterstützten etwa unter dem Motto „Refugees Welcome“ viele Menschen die Ankommenden durch Kleiderspenden, Aufnahme in ihren Wohnungen oder praktische Hilfen im Alltag. Zugleich mehrten sich offen rassistische Stimmen. Medien wie die BILD-Zeitung begannen, Geflüchtete als Gefahr für die Sicherheit und den Wohlstand in Deutschland darzustellen. Auch Politiker*innen verschiedener Parteien machten Stimmung gegen Geflüchtete. Die Zahl der Angriffe stieg rasant, in mehreren Städten kam es zu rassistischen Ausschreitungen. 2015 wurden bundesweit mindestens 122, im Jahr 2016 mindestens 141 Brandanschläge auf Unterkünfte von Geflüchteten verübt.

In Hamburg gab es in mehreren Stadtteilen vehemente Proteste gegen den Bau von Unterkünften für Geflüchtete. So versuchten Anwohner*innen in Blankenese unter dem Deckmantel des Umweltschutzes den Bau der einzigen Unterkunft im Stadtteil zu verhindern. Antirassistische Aktivist*innen sägten am 7. April 2016 symbolisch an einem Baum, um so gegen die Proteste gegen den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete in Blankenese Stellung zu beziehen. Einige Anwohner*innen zeigten sich ebenfalls solidarisch mit den zukünftigen Nachbar*innen. An einer Demonstration unter dem Motto „Blankenese für Flüchtlinge“ beteiligten sich 2000 Personen.
Im Februar 2018 versammelten sich unter dem Motto „Merkel muss weg“ mehrfach bis zu 300 Personen aus der bürgerlichen und der extremen Rechten in Hamburg, darunter organisierte Neonazis, Funktionär*innen von NPD und AfD, Sympathisant*innen der Identitären Bewegung, Burschenschaftler, Reichsbürger*innen und Hooligans. Sie protestierten gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel als Verkörperung der Migrationspolitik der Bundesregierung wie auch gegen Geflüchtete und Migrant*innen. Nach zwölf Kundgebungen endeten die Versammlungen im November 2018.