Proteste während der Coronapandemie
Während der Coronapandemie zwischen 2020 und 2022 protestierten wöchentlich bundesweit Zehntausende Menschen gegen die Infektionsschutzmaßnahmen der Bundesregierung. Antisemitische Ressentiments und Verschwörungserzählungen über den Ursprung des Virus waren fester Bestandteil der sogenannten „Querdenken“-Demonstrationen.
Die Organisierung verlief maßgeblich über den Messengerdienst Telegram. Ab Frühjahr 2020 entstanden dort zahlreiche Gruppen, über die eine Flut an Falschinformationen und antisemitischen, verschwörungsideologischen Inhalten verbreitet wurde.
Die Pandemie oder deren Gefährlichkeit wurden geleugnet und etwa unter dem Schlagwort „Great Reset“ eine antisemitische Verschwörungserzählung entwickelt, die behauptet, Covid-19 sei Teil eines geheimen Plans „mächtiger Eliten“, um weltweit die politische und wirtschaftliche Kontrolle zu übernehmen.

Gleichzeitig wurde versucht, die Infektionsschutzmaßnahmen mit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus gleichzusetzen, und behauptet, Deutschland sei eine Diktatur.

Viele zuvor nicht politisch aktive Personen beteiligten sich an den Protesten gegen die Infektionsschutzmaßnahmen, einige radikalisierten sich in kürzester Zeit. Es kam bundesweit zu Anschlägen auf medizinische Einrichtungen und Testzentren. Personen, die als „Stellvertreter“ der Pandemie ausgemacht wurden, wie Ärzt*innen, Politiker*innen, Journalist*innen oder auch Menschen, die Mund-Nasen-Schutz trugen, wurden öffentlich gebrandmarkt, bedroht und angegriffen. In Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz) ermordete ein rechter Pandemie-Leugner im September 2021 den 20-jährigen Studenten Alexander W., nachdem dieser ihm aufgrund fehlender Mund-Nasen-Bedeckung kein Bier verkaufte. Im Glauben, die Pandemie sei Teil einer jüdischen Weltverschwörung, ermordete im brandenburgischen Königs Wusterhausen ein Mann seine Partnerin und seine drei Töchter.

Neonazis und anderen Gruppen der extremen Rechten wurde bei den Protesten eine offene Bühne geboten. Schnell schlossen sich auch in Hamburg AfD, NPD und Organisator*innen der rassistischen „Merkel-muss-weg“-Proteste (MMW) an. Im Winter 2021/22 wurde Hamburg für einige Wochen zum norddeutschen Hotspot der Proteste. Mit teilweise über zehntausend Teilnehmenden zogen die sogenannten Kunsthallen-Demos durch die Hamburger Innenstadt.

Die gut vernetzte Szene wandte sich zum Ende der Pandemie auch anderen Themen zu: Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 werden russische Propaganda und Desinformation verbreitet. Auch mobilisieren Akteur*innen der Bewegung gegen geflüchtete, queere und politisch links stehende Menschen.
